Freitag, 5. April 2013

Der Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge


Es war die Deutsche Stiftung Denkmalsschutz, die uns im Jahr 2007 ermutigte, das damals noch weitgehend unbekannte Bamberger Hexengefängnis Malefizhaus beim "Tag des offenen Denkmals" zu präsentieren.

Da diese Aufgabe, ehrlich gesagt, "zu groß für uns erschien", hatten wir OB Andreas Starke und der damaligen Leiterin  des Bamberger Weltkulturerbe-Büros Frau Karin Dengler-Schreiber angeboten, unsere umfangreichen und wissenschaftlich fundierten Materialien der Stadt Bamberg unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, damit man dort die Möglichkeit hat, diesen vergessenen und wenig erforschten Teil der Stadtgeschichte einer breiteren Öffentlichkeit in spannender, aber angemessener Weise näher zu bringen.

Von offizieller Seite bot man uns dann an, erst im Jahr 2016 eine Ausstellung zu diesem Thema zu organisieren. Da neun Jahre in der Politik eine lange Zeit sind und Planungen erfahrungsgemäß solche Zeiträume nur in den seltensten Fällen „unbeschadet“ überstehen, entschlossen wir uns kurzerhand, ins kalte Wasser zu springen und einen Vortrag zum Thema Malefizhaus auf eigene Kosten und eigenes Risiko in Bamberg abzuhalten. Dass man uns dann schon im Vorfeld unserer Bemühungen mit Zensur und allerlei anderen Hindernissen begegnen würde, war für uns unvorstellbar, aber eine leidvolle Erfahrung, die uns sehr bald spüren ließ, dass wir mit dem Thema offensichtlich in ein Wespennest gestochen hatten.

Auch nach dem Tag des offenen Denkmals wurden wir wiederholt zensiert, doch im Rathausjournal der Stadt war im Oktober 2008 folgender Satz des Oberbürgermeisters zu lesen: "Starke bezeichnete das Projekt als höchst beeindruckend und ambitioniert".

Vier Jahre später sagt OB Starke dann folgende Sätze in die Mikrophone des Bayerischen Fernsehens: "Wir haben in Bamberg den Grundsatz, dass wir Aufklärung durch Forschung betreiben wollen. Wir kennen da keine Tabus oder wollen da irgendetwas verschleiern - wir gehen ganz ehrlich mit diesem Thema um - Forschung durch Aufklärung."
Abgesehen davon, dass es einigermaßen verwirrend klingt, wenn man erst „Aufklärung durch Forschung“ propagiert, um dann einen halben Satz später „Forschung durch Aufklärung“ auszurufen, ist es leider die traurige Tatsache, dass zwischen diesen beiden Aussagen mehr als vier Jahre liegen. Deshalb möge jeder Leser für sich selbst entscheiden, wie er diesen Widerspruch bewertet.

Doch es wird leider noch unverständlicher. Obwohl die Stadt Bamberg offizielle Themenwochen zur Hexenverfolgung im Oktober 2012 veranstaltete, wurde das zentrale Objekt der Bamberger Inquisitionsgeschichte - also das Malefizhaus - dabei in gerade mal drei Halbsätzen erwähnt. Dass unter den meisten unbequemen Veröffentlichungen zum Thema Malefizhaus in den vergangenen Jahren der Name des in vielen Augen ebenso unbequemen Autors Kloos steht, legt den Schluss nahe, dass hier nichts anderes als ein weiterer Versuch der Zensur unternommen wurde.

Zum Vergleich: Das Foltergefängnis und den Hexenofen des Fuchs von Dornheim "zu vergessen" ist nichts anderes, als würde man versuchen die Geschichte des Nazi-Reiches zu erzählen, ohne die Konzentrationslager zu erwähnen.



Sieht in der weltoffenen Traumstadt der Deutschen so ein ehrlicher Umgang mit der eigenen Geschichte aus? Oder ist das gar die gelebte Erinnerungskultur einer modernen Universitätsstadt?

Die Altstadt von Bamberg ist seit genau 20 Jahren ein Teil des Weltkulturerbes der UNESCO - und das Malefizhaus lag ohne jeden Zweifel innerhalb der historischen Stadtmauern. Das lange Jahre vertuschte Foltergefängnis mit seinen rund tausend unschuldigen Opfern ist deshalb genauso ein Stück des UNESCO-Welterbes wie der Dom, das Alte Rathaus und der Rest des historischen Altstadtensembles. Wer das negiert, ist ein Kulturbanause und sollte weder die Worte Welterbe noch Kultur über seine Lippen kommen lassen.

Und jetzt steht der 2. Juni 2013 vor der Tür: Diesmal richtet Bamberg den deutschlandweiten UNESCO-Welterbetag aus. Hochrangige Festredner werden feierliche Reden halten und dabei wird keiner der Vortragenden wissen, was sich in Wirklichkeit hinter den Mauern dieser Stadt abgespielt hat. Klingt absurd, ist aber leider wahr. Sie können es nachlesen, denn das offizielle Programm ist bereits veröffentlicht - und natürlich wird die Hexenverfolgung mit keinem einzigen Satz erwähnt. (http://www.bamberg.info/fachkontakte/presse/pressemappe/blick_in_die_geschichte_und_wi-308/)

Auch die im Herbst letzten Jahres versprochene Ausschreibung für ein Hexenmahnmal, die man rasch in die Wege leiten wollte, hat noch immer nicht stattgefunden - von einer offiziellen Rehabilitierung der Opfer ganz abgesehen.

Wenn man es wirklich ehrlich meinen würde mit der Aufklärung, dann hätten wir hier ein kostenloses Angebot für die BAMBERGER KULTUR-ENTSCHEIDUNGSTRÄGER:

1. Alle vorhandenen Hexen-Akten scannen und frei ins Netz stellen - Cloud-Subskribtion nennt man so etwas.

2. Eine Straße oder einen Platz nach einem der Opfer benennen.

3. Die Ausschreibung des Mahnmals endlich realisieren.

4. Dem Beispiel vieler anderer Städte folgen und die längst überfällige Rehabilitierung der Opfer sofort einleiten - ohne immer wieder das entschuldigende Scheinargument der Zuständigkeit oder Rechtsnachfolge bei dieser Entscheidung vorzuschieben.

5. Es war der öffentliche Vorschlag von Frau Karin Dengler-Schreiber (2008), den einmaligen Junius-Brief zum Weltdokumentenerbe der UNESCO anzumelden. Was ist aus dieser Idee geworden? 

Im Mai wird im Magazin "Wunderwelt Wissen" ein ausführlicher Artikel erscheinen, der das Malefiz Haus und das Hexenbrenner-Museum einer breiten wissenschaftlichen Öffentlichkeit präsentieren wird … gerade noch rechtzeitig vor dem UNESCO-Welterbetag am 2. Juni.

Die Deutsche Stiftung Denkmalsschutz präsentiert das virtuelle Hexenbrenner-Museum auch auf der Website "Tag des offenen Denkmals" - das ist nicht nur ein großes Kompliment an unsere jahrelange Arbeit sondern auch eine Art "Qualitätssiegel": Sie werden nirgendwo eine bessere Dokumentation über dieses Thema finden und deshalb laden wir alle Leser ein, zum kostenlosen Besuch am Tag der offenen Tür: 2 Juni 2013.


Ralph Kloos

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